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Ein Jahr Krieg in der Ukraine

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Am 24. Februar 2022 marschierten russische Truppen in die Ukraine ein und brachen damit Völkerrecht. Seither herrscht ein blutiger Krieg, dessen Ende immer weniger abzusehen ist.
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Der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 war offensichtlich als kurze Kommandoaktion geplant gewesen. Das Kriegsziel war die Einnahme Kiews innerhalb weniger Tage und der Sturz der Regierung. Nachdem der ukrainische Präsident weder geflüchtet noch gefangen genommen war und nach wochenlanger Umklammerung der Stadt von Norden, Westen und Osten musste Russland den Vorstoß nach Kiew Ende März aufgeben. Was folgte, war ein Krieg, der immer noch anhält.
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FURCHE-Chefredakteurin Doris Helmberger-Fleckl am 25. Februar 2022.

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„Jeder hat hier einen Plan für den Härtefall - nur war dieser bisher hypothetisch “. Florian Bayer war für DIE FURCHE in der Westukraine. Im Februar 2022 berichtete  er von seinem Rückweg.

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Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) ortet ein globales Erdbeben – erst recht durch die jüngst in einem Kiewer Vorort zutage getretenen Verbrechen. Im FURCHE-Interview spricht er über die Folgen für die internationale Politik – sowie österreichische Versäumnisse.

Hier können SIe das Interview nachlesen.

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Seit dem 24. Februar 2022 terrorisiert die Russische Föderation ein Nachbarland, dessen territoriale Integrität sie in den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts im Budapester Memorandum und einem Freundschaftsvertrag mehrfach anerkannt und garantiert hatte.

Der erste Bruch der völkerrechtsverbindlichen Vereinbarungen erfolgte 2014 mit der Besetzung und Annexion der Krim sowie der Installation sogenannter Volksrepubliken auf Territorien der ukrainischen Gebiete (Oblaste) Donezk und Luhansk. Nach dem Überfall vollzog die Russische Föderation am 30. September 2022 die nicht minder völkerrechtswidrige Annexion dieser Oblaste sowie der ebenfalls nur teilbesetzten Gebiete Cherson und Saporischschja.

Aus neurussischer Sicht hat die Ukraine, die nach dem Zusammenbruch der UdSSR in Vollendung ihrer seit Beginn des 19. Jahrhunderts entstandenen Nationaltradition am 24. August 1991 ihre Unabhängigkeit erklärte, keine Existenzberechtigung. In nationalrussischer Interpretation werden Ukrainer als Russen definiert, deren nationale Bestrebungen als „Faschismus“ einem Verrat am Russischen Reich gleichkomme. Der Prozess der Einverleibung ukrainischer Gebiete ist insofern mit diesen Annexionen bei weitem nicht abgeschlossen.

Wie nach Versailles

Die Auffassung, wonach postsowjetische Nationen keine nichtrussische Existenzberechtigung haben, manifestiert sich nicht nur gegenüber Weißrussland, dessen Langzeitdiktator Lukaschenko sein Land zwischen Baltikum, Polen und der Ukraine mittlerweile auch militärisch Moskau angliedert. Dmitri Medwedew, Vizechef des Russischen Sicherheitsrats und Putins Sprachrohr, spricht diese Existenzberechtigung jedem postsowjetischen Staat ab. Es ist ein Phänomen, das sich eher als postkolonialer Phantomschmerz denn als Neoimperialismus bezeichnen lässt:

Ein Prozess, der das Deutsche Reich nach den Versailler Verträgen in den Zweiten Weltkrieg geführt hatte; der im Vereinigten Königreich mit dem Tod von Queen Elisabeth II. seinen faktischen Abschluss finden wird; der in Frankreich immer noch ein wenig in die Politik wirkt, wenn beispielsweise auf Wunsch aus Paris die Europäische Union Militärmissionen in Zentralafrika beschließt. Es geht um die Unfähigkeit, sich mit verlorener Größe zu arrangieren.

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Kiew ist die Geburtsstätte der christianisierten Rus. Das Höhlenkloster Petscherska Lawra in Kiew ist das älteste Zeugnis der orthodoxen Christenheit in der Region – und eines der Konfliktfelder zwischen der Ukraine und Russland. Der Anfang der Misshelligkeiten lässt sich ab dem 15. Jahrhundert datieren. Damals etablierte sich Moskau langsam als zweites Machtzentrum in diesem Kulturraum – erst als Außenposten Kiews, dann als Konkurrenzstätte, schließlich als Machtzentrum, das Anspruch auf Kiew erhob.

Wenn jetzt einschlägige Autoren auf staatlichen russischen Nachrichtenseiten wie RIA erklären, dass „die Wiedergutmachung der Schuld (der Ukraine, Anm. d. Red.) gegenüber Russland“, weil die Ukraine Russland als Feind behandelt habe, „nur in Abhängigkeit von Russland“ erfolgen könne, so finden sich hier Anwürfe, die seit mindestens 500 Jahren die Beziehungen zwischen Moskau und der Ukraine prägen. Der angeführten Argumentation hatte sich auch Putin selbst in einem Artikel aus dem Sommer des Vorjahres bedient. Ebenso der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill I., bei der Sonntagspredigt in der Kathedrale der Streitkräfte in Moskau: Man wolle keinen Krieg, man wolle nichts tun, um anderen zu schaden, aber: Russen seien dazu erzogen, ihr Vaterland zu lieben, und seien bereit, es zu verteidigen. De facto ist die russisch-orthodoxe Kirche dazu übergegangen, der Ukraine unverhohlen das Existenzrecht abzusprechen. 

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Laut Angaben amerikanischer Geheimdienste und der New York Times sollen sich derzeit tausend Wagner-Kämpfer in der Ukraine aufhalten, darunter auch die für ihre Gewalt-Exzesse berüchtigte Einheit „Rusitsch“. In einem Video aus dem syrischen Palmyra, wo Wagner gegen den „Islamischen Staat“ eingesetzt wurde, wirbt die Einheit um neue Rekruten. Ein Söldner spaziert da durch die Ruinen. Der Werbetext: „Seht euch an, wo wir sind. Wir brauchen interessantere Reiseziele als Bali und die Dominikanische Republik“. Wagner ist eine „Private Military Company“, kurz PMC. Sie erledigt in der Ukraine, Syrien, Libyen, der zentralafrikanischen Republik und dem Sudan die militärische Grobarbeit des Kreml.

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Der imperialistische Appetit Russlands gehöre mit allen Mittel ein für alle Mal gestoppt, fordert die frühere polnische Dissidentin Róża Thun.

Verheiratet mit einem Deutschen, lebt die liberale EU-Abgeordnete Róża Maria Gräfin von Thun und Hohenstein die polnisch-deutsche Versöhnung in der eigenen Familie. Seit Ende der 1970er-Jahre war die 1954 in Krakau geborene katholische Publizistin in der Solidarność-Bewegung aktiv. 

"Ich verstehe, dass für Westeuropäer dieser Krieg weit weg ist, und ich bewundere jene, die sich engagieren, obwohl die Ukraine für sie ein fremdes Land ist. Aber dieser Krieg betrifft uns alle. Jetzt und noch lange. Das Verhalten Russlands hat sich seit der Stalinzeit nicht geändert: Exekutionen, Verschleppungen… Das kommt in Wellen, und der imperialistische Appetit Russlands hört nicht auf. Wir müssen uns noch mehr engagieren – nicht nur weil uns die Ukrainer nah sind, sondern weil wir den russischen Imperialismus stoppen müssen. Jetzt tun das die Ukrainer heldenhaft für uns alle. Wir müssen kapieren, dass das unser aller Krieg ist, dass es auch um unsere Zukunft geht, dass wir die Russen ein für alle Mal stoppen müssen."

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Durch Reden, Videozuschaltungen und Auftritte ist Selenskyj für die Öffentlichkeit im Ausland zum Zugpferd einer Nation geworden. Dabei treibt die ukrainische Öffentlichkeit den Präsidenten viel eher vor sich her. Denn dass die ukrainischen Soldaten heute zum Beispiel Schutzausrüstung haben und Nachtsichtgeräte sowie Geländefahrzeuge, ist das Werk einer informellen Freiwilligen-Bewegung in der Ukraine, in der ukrainischen Diaspora in der EU und in den USA sowie Kanada und nicht der Selenskyj-Administration. Von staatlicher Seite wurden Beschaffungen für die Armee seit Selenskyjs Amtsübernahme massiv reduziert.

Krieg und Privatinitiative

Dass die Verteidigung der Ukraine bisher funktioniert hat, wird vor allem cleverem Mangelmanagement, dem Erfindergeist einiger Generäle sowie der Einbeziehung ziviler Gruppen zugeschrieben – wenn etwa Drohnen-, E-Motorad- oder Software-Bastler aus dem privaten Bereich ihre Dienste zur Verfügung stellen. Und der Geheimdienst: Der sollte bis zuletzt trotz des damals ungebremst schwelenden Krieges in der Ostukraine und ohne wirklich sichtbare politische Lösungsansätze „entmilitarisiert“ werden. Die Besetzung sicherheitspolitisch so sensibler Positionen wie die der Spitze des SBU mit Leuten aus dem Showbiz war einer der schwerwiegendsten Kritikpunkte an Selenskyj – ein fundierter. Und diese Kritik hat unter der Last des russischen Krieges in der Ukraine jetzt untragbares Gewicht erreicht.

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Wenn es 17 Uhr ist im Kiew dieser Tage, füllen sich die Cafés um den Bessarabska-Markt. Hier ein Minister beim Pizzaessen, dort ein Berater bei Kaffee und Kuchen, weiter drüben die Mitarbeiterin einer wichtigen internationalen Finanzinstitution bei einem Glas Wein. Und dazwischen brodelt die Gerüchteküche in dicken ploppenden Blasen wie geschmolzener Käse. Gerade dieser Tage. Der Chef des Geheimdienstes SBU, Iwan Bakanow, gefeuert, ebenso die Oberstaatsanwältin Iryna Wenediktowa, die Position des Chefs der so wichtigen Antikorruptionsbehörde NABU seit langem vakant, jetzt aber anscheinend in Besetzung.

Es rumort. Denn vor allem Bakanow galt als enger Vertrauensmann von Präsident Wolodimir Selenskyj. Die beiden kennen sich noch aus Schulzeiten, dann war Bakanow der Chef der Produktionsfirma von Selenskyjs TV-Show „95- Kwartal“, später war er Chef von Selenskyjs Partei und wurde schließlich von diesem in den SBU entsandt. Die Vorwürfe gegen Bakanow wiegen schwer: Es wird ihm nicht weniger als Hochverrat zur Last gelegt – oder zumindest Mitverantwortung aus Inkompetenz. Konkret geht es um die Region Cherson. Dort war die russische Armee in den ersten Kriegstagen von der russisch annektierten Krim aus praktisch ungehindert mitten durch Minenfelder marschiert. Die Stadt Cherson selbst fiel kampflos.

Der Vorwurf gegen Bakanow: Mitarbeiter des SBU sollen russischen Stellen die Position von Minenfeldern verraten und die Verteidigung der Stadt sabotiert haben. Konkret heißt es laut Selenskyj, um die 60 Mitarbeiter des SBU seien heute noch in Cherson, auf russisch okkupiertem Gebiet, als Kollaborateure tätig. Heikle Punkte Das ist ein Fall, der gerade für Selenskyj sehr heikle Punkte berührt. Es ist vor allem einer, der jahrelangen Kritikern Selenskyjs Gehör verschafft, die Freunderlwirtschaft, Showpolitik und nicht zuletzt politische Naivität Selenskyjs kritisieren.

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Europa und Deutschland stehen vor den Trümmern ihrer Russland- und Sicherheitspolitik. Schon der Krieg gegen Georgien 2008 sowie die völkerrechtswidrige Annexion der Krim 2014 und das militärische Eingreifen in der Ostukraine, wo inzwischen die Gebiete Donezk und Lugansk von prorussischen Separatisten kontrolliert werden, stellten die Friedensordnung in Europa in Frage.

Mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat der russische Präsident, Wladimir Putin, die neue Sicherheitsordnung, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, dem Zerfall und schließlich der offiziellen Auflösung der Sowjetunion entstanden war, unwiderruflich zerstört.

Der Ukraine-Krieg stellt auch die kirchliche Friedensethik der letzten Jahrzehnte auf den Prüfstand. Ihr ökumenisches Kernstück besteht in der biblisch begründeten Lehre vom gerechten Frieden, durch welche die klassische Lehre vom gerechten Krieg abgelöst wurde. Inzwischen wird in Deutschland intensiv darüber debattiert, wie tragfähig und realistisch die bisherigen friedensethischen Positionen der beiden Kirchen sind. Konkret entzündet sich die Kontroverse an der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine und an dem fundamentalen Kurswechsel der deutschen Bundesregierung in der Sicherheitspolitik.

Innerhalb der kommenden zehn Jahre sollen hundert Milliarden Euro in die Ausrüstung der Bundeswehr investiert werden, um ihre Verteidigungsfähigkeit zu verbessern. Nach Ansicht von Militärexperten ist die Bundeswehr derzeit nur bedingt einsatzfähig. Es geht also ganz handfest um Aufrüstung und Abschreckung im Rahmen der NATO.

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Die Ukraine ist durch konfessionelle Vielfalt geprägt. Laut einer Umfrage des Kiewer Rasumkow-Zentrums von 2021 bezeichnen sich etwa 68 Prozent der Ukrainer als gläubig. Dabei ist im Westen des Landes die religiöse Praxis stärker, als im Osten und Süden. Es gibt keine amtliche Erfassung der Konfessionszugehörigkeit (nur eine wenig aussagekräftige der religiösen Organisationen).

Die besagte Umfrage zeigt aber, dass sich etwa 60 Prozent der Bevölkerung der Orthodoxie zuordnen und etwa neun Prozent der – besonders im Westen des Landes starken – Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche (UGKK). Dagegen liegt die Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche bei einem Prozent, der sehr vielfältige Protestantismus bei 1,5 Prozent. Der Anteil von Juden und Muslimen beträgt 0,1 bzw. 0,2 Prozent.

Die Orthodoxie ist – abgesehen von Splittergruppen – in zwei große Jurisdiktionen geteilt. Es gibt die bislang zum Moskauer Patriarchat (MP) gehörende Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK), die sich am 27. Mai 2022 auf einer Kirchenversammlung (Sobor) durch eine Statutenänderung aber für unabhängig erklärt hat. Die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) ist dagegen 2018 aus einem Vereinigungsprozess von ukrainischen Kirchen entstanden, die (überwiegend) bisher gesamtorthodox nicht anerkannt waren.

Anfang 2019 wurde diese Kirche vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel als autokephal (also unabhängig) anerkannt. Dieser Akt hat das MP zur (einseitigen) Aufkündigung der Kirchengemeinschaft veranlasst. Dieser Bruch belastet die Orthodoxie weltweit bis heute stark und behindert gemeinsame Problemlösungen.

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„Ver-Antwortung“, in Anlehnung an den lateinischen Begriff respondere („antworten, Antwort geben“) – wer vermag es, diese zu geben?

Die Verbündeten antworten in Form von Sanktionen, Waffen, Geheimdienstinformationen, militärischem Know-how, makroökonomischer Unterstützung (die Ukraine benötigt nach Schätzungen zwischen drei und vier Milliarden Dollar pro Monat), der Aufnahme von Vertriebenen und mannigfaltigen symbolischen Gesten. Wolodymyr Selenskyjs geplante Teilnahme am EU-Gipfel in Brüssel ist das jüngste Beispiel dieser Art.

Gleichzeitig vermögen diese Antworten entscheidende Fragen nicht zu beantworten: Hat Ver-Antwortung Grenzen? Und wenn ja, wo, im Hinblick auf die Tatsache, dass es kein Zurück mehr zum status quo ante geben wird?

Westliche Diplomaten halten eine Lösung des Konfliktes für unwahrscheinlich, ja unmöglich, solange Putin im Amt ist. Was heißt das im Umkehrschluss? So lange Krieg führen, bis Putin zurücktritt, weggeputscht wird, stirbt? Bedeutet (Ver-)Antwort(ung) Abwarten? Und innerhalb dieses Wartens und Abwartens entspinnen sich neue Debatten: Nach der Kampfpanzerdebatte ertönen die Rufe nach Kampfjets, abgelöst von den Bodentruppen.

„Wenn der Krieg noch länger dauert, wird sich diese Frage mit größerer Dringlichkeit stellen. Man muss nur die Bevölkerungsbasis Russlands mit jener der Ukraine vergleichen. Russland ist mehr als dreimal so groß, was seine Bevölkerung betrifft. Bodentruppen wurden bisher von westlichen Staaten klar abgelehnt. Wie sich das in Zukunft verhält, lässt sich nicht seriös prognostizieren“, sagt Müller.

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Dass einer wie Maksym Butkevych einmal eine Schusswaffe auch nur anrühren würde, hat viele überrascht. Was tut ein Mann, der den Frieden liebt und Gewalt verabscheut, im Krieg? Und dennoch steht er heute da: Splitterschutzweste, Kalaschnikow, Helm. Ein Soldat. Als Russland die Ukraine am 24. Februar angriff, so sagt er, da habe es sich für ihn angefühlt, als gehe es jetzt um die „Existenz“. Denn: „Wenn sie die Ukraine besiegen, dann ist alles, was ich in den vergangenen 16 Jahren getan habe, umsonst gewesen.“

Maksym ist eigentlich ein Mann der Argumente, keiner des Kampfes. Er ist einer, der druckreif spricht und seine Worte wählt, als seien sie kostbare Pfeile oder vorsichtige Berührungen. Er kämpft mit ihnen für Geflohene und Vertriebene – selbst wenn oder gerade wenn die Aussichten auf Erfolg miserabel sind. Vor der Revolution 2014 waren es Flüchtlinge aus Afghanistan, die in Kiew gestrandet waren: Er hatte Flüchtlinge aus Usbekistan betreut, denen die Abschiebung drohte, er hatte sich für Menschen aus aller Welt eingesetzt, die ins humanitäre Nichts gefallen waren.

Vor 2014 war die Ukraine ein Land an einer harten Schengen-Grenze mitsamt Rückführungsabkommen mit der EU. Die ukrainischen Behörden waren dem Abkommen allerdings administrativ nicht gewachsen. Es gab nicht einmal Budgetmittel, um Dokumente zu drucken. Ohne Dokumente kann sich ein Asylwerber aber nicht ausweisen. Und kann er das nicht, öffnet das der Behördenwillkür Tür und Tor. Und die traf auch die Klienten von Maksym, Betreiber der Plattform „No Borders Project“.

Er und seine Mitstreiter hatten zwar alle Argumente auf ihrer Seite, erhielten aber letztlich nicht einmal Akteneinsicht. An einem bitterkalten Februarabend 2014, die Revolution vom Maidan hatte das alte System gerade über den Haufen geworfen, hatte sich Maksym Butkevych eine Splitterschutzweste übergeworfen und die Fremdenbehörde praktisch im Alleingang besetzt. Sein Mut und seine Entschlossenheit verschafften ihm Respekt. Der Leiter der Behörde beriet mit Butkevych, man vereinbarte Akteneinsicht durch das UNHCR und vereinbarte später die Modalitäten einer Zusammenarbeit.

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Von Vietnam bis zur Ukraine: Friedensbewegungen sind das Ergebnis unruhiger Zeiten. Die Forderungen nach Waffenruhe und Abrüstung begleiten unsere jüngere Geschichte. Heute finden Proteste vermehrt auch im Netz statt. Historische Eindrücke von Anti-Kriegsbewegungen und die vielen Gesichter des Widerstands.

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„Das empathische Gen“ (Herder, 2021). Die Empathie liegt dem Menschen quasi im Blut: Das bedeutet, dass in der Evolution ein empathisches Potenzial entstanden ist, das in unserer Genetik verankert ist. Es erwies sich als nützlich, weil es Menschen zu intelligenter Kooperation befähigte.

Gene sind aber nur die Klaviatur, auf der das Leben spielt. Bleiben manche Tasten unberührt, kann das Potenzial auch verkümmern.

Wie steht es dann um die Empathie in einer Kriegssituation wie heute? Die FURCHE hat bei dem deutschen Arzt, Neurowissenschaftler und Psychotherapeuten Joachim Bauer in einem schriftlichen Interview nachgefragt.

DIE FURCHE: Sie haben in einem Ihrer Vorträge gesagt, dass Diplomatie „reine Empathie-Arbeit“ sei. Haben die westlichen Diplomaten in diesem Bemühen vor dem Ukraine-Krieg versagt?
Joachim Bauer: Der Krieg, mit dem Wladimir Putin sein Nachbarland jetzt überzieht, ist ein Verbrechen. Aber jedes Verbrechen hat auch eine Vorgeschichte. Dazu gehört, dass diplomatisch einiges schiefgelaufen ist. Diplomatie hat tatsächlich viel mit Empathie zu tun. Empathie hat nicht nur eine emotional-mitfühlende, sondern auch eine vernunftbetonte Seite. Nur um die geht es in der Diplomatie. Vernunftbetonte Empathie bedeutet einerseits, die Motive des jeweiligen Gegenübers richtig zu erkennen und zu verstehen. Dazu gehört aber auch, der Gegenseite durch klare Signale die Möglichkeit zu geben, richtig einzuschätzen, wie man sich selbst verhalten wird. An beidem hat es gefehlt.

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Bilder aus den Spätnachrichten haben mich quälend die Nacht hindurch eines gesunden Schlafes beraubt. Zu sehen war eine kurze Sequenz von Bomben- oder Raketeneinschlägen in einem Spital. Schwestern, Ärztinnen und Ärzte suchten Deckung, eine Schwester mit Mund- und Nasenschutz fand mit einem Säugling in ihren Armen – das kleine Köpfchen war gut zu erkennen – Schutz hinter einem Mauervorsprung. Neben ihr ein Chaos aus Betontrümmern, Schutt, kreuz und quer stehenden Betten. Ich kann nicht mehr sagen, ob sie leer waren oder ob darin Menschen lagen, vielleicht ­gerade starben.

Und es sah aus, als würde bereits Tageslicht in den Raum eindringen, weil Dach und Decke weggebombt worden waren. Wahrscheinlich hatte sich diese nur etwa drei Sekunden dauernde Impression aus einem Kriegsinferno – wahrscheinlich mit einem I-Phone oder dergleichen aufgenommen – deswegen so eingebrannt, weil sie einerseits sinnlose Zerstörung zeigte, andererseits das Bemühen eines Menschen, ein junges Leben unter Lebens­gefahr zu schützen und zu retten.

Ich weiß nicht mehr, ob dabei der Name Mariupol fiel, wo auch eine Kunstschule, in der Frauen und Kinder Schutz gesucht hatten, dem Erdboden gleich gemacht worden war. Schnitt. Die ­nächste Naheinstellung kam jedenfalls, so zumindest die Ansage, aus Mariupol: Ein, wie aus dem Off gesagt wurde, 18-jähriges Mädchen. Sie klammerte sich mit ihren beiden Händen an ein Smartphone. Es konnte das Zittern ihrer Hände nicht verbergen. In Tränen ausbrechend erzählte sie, stammelnd, sie habe vor Tagen aus der seit dem 1. März eingekesselten Stadt fliehen können, wisse aber nicht, wie es ihren Verwandten und Freundinnen dort gehe …

Die gesamte Geschichte lesen Sie hier.
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Der Politologe Vedran Dzihic ist 1993 vor dem Jugoslawienkrieg geflüchtet. Jährlich erinnert er an den „Tag der weißen Bänder“, der seine Heimatstadt Prijedor zu einem grausamen Hort ethnischer „Säuberungen“ machte:

Der Krieg kommt immer in kleinen Schritten. Du spürst das Unheil kommen, und doch verdrängst du es. Die Augen sehen es, doch das Herz glaubt noch immer nicht daran und hofft, dass alles gut werden wird. Am Ende wird es aber nicht gut. Im Oktober 1991 saßen wir alle zu Hause wie gebannt vor dem Fernseher in meiner Heimatstadt Prijedor in Bosnien und Herzegowina.

Die Situation im Land war sehr angespannt, der Krieg in Kroatien tobte mit voller Wucht, die meisten befürchteten das Überschwappen des Krieges auf Bosnien.  Das bosnische Fernsehen übertrug die Debatte im Parlament in Sarajevo. Am Rednerpult stand der Anführer der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, der wegen Kriegsverbrechen verurteilt werden würde. 1991 trotzte er vor Selbstbewusstsein. In einem Moment setzte er an zu einer schrecklichen Drohung an die Adresse der Politiker der bosnischen Muslime und Kroaten – er drohte ihnen unverblümt mit dem Weg in die Hölle und ins Verderben. Meine Mutter drehte sich plötzlich mit Tränen in den Augen zu meinem Vater um und sagte leise: „Es ist aus. Das ist der Krieg.“

Wir wollten und konnten es nicht wahrhaben. Einige Monate später klopfte der Krieg an unserer Haustür und veränderte mein und das Leben meiner Familie für immer. „Du darfst leben und du nicht“ Der Krieg kommt dann immer mit seiner ganzen Wucht über uns alle – unerbittlich, grausam, wütend, zerstörend. Der Krieg ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, ein Affront gegen das Menschsein.

Der Krieg greift brutalst in die Pluralität des Menschen, indem er hineinruft: „Du darfst leben und bleibst verschont. Du aber, der du das Andere bist, musst sterben.“ Am 31. Mai 1992, inmitten des bereits entflammten Krieges in Bosnien und Herzegowina, erließen die serbischen Behörden in meiner Heimatstadt Prijedor im Nordwesten Bosniens einen Aufruf an alle nichtserbischen Haushalte, sich selbst und ihre Wohnungen und Häuser mit weißen Bändern und Tüchern zu kennzeichnen. Damit wollten die serbischen Behörden genau dies sagen: „Du darfst leben und du nicht, du bist der Andere, du musst sterben, dich beugen, egal was wir mit dir anstellen mögen.“

Ja, genau das war die Botschaft der serbischen Behörden meiner Stadt, die sie uns am 31. Mai vor dreißig Jahren mitteilten. Meine Mutter war verängstigt und hisste ein weißes Tuch aus dem Fenster. Der Vater hatte Angst, war aber auch zornig und stolz, wollte es selbst nicht tun. Wir Kinder, mein Bruder und ich, waren nur stumme Zeugen des Dramas. Die weiße Bettwäsche aus dem Fenster war dann das letzte Zeichen, dass das frühere Leben längst vorbei ist. Immer wieder, zuletzt mit dem Beginn des Ukraine-Krieges, konnte ich dieses Gefühl von damals spüren, die Momente, als die Angst in mich hineinkroch und die letzten Winkel meines Körpers erreichte. Doch man funktioniert, man wird zu einer Überlebensmaschine, die vom Wunsch nach Leben und der Hoffnung auf den Frieden und die Sicherheit angetrieben wird.
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Der Politologe Vedran Dzihic spricht mit FURCHE-Redakteurin Manuela Tomic über seine ganz persönlichen Erfahrungen im Bosnien-Krieg, über Flucht und Versöhnung.

Dzihic und Tomic verbindet dasselbe Ereignis: Beide sind in den frühen 90er-Jahren vor dem Jugoslawienkrieg geflohen. Manuela war vier Jahre alt, Vedran 14 Jahre alt. In diesem Podcast teilen sie ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit dem Bosnien-Krieg und sie sprechen über ihren Schock, dass sich im Jahr 2022 in der Ukraine wieder ein Krieg auf europäischem Boden ereignete.

Die gesamte Folge können Sie hier nachhören.

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Was hat dieser Krieg, der Krieg in der Ukraine, mit uns allen gemacht? Als mir die Redaktion der FURCHE unlängst diese Frage stellte, mit der Bitte, sie hier zu beantworten, kam mein Abwehrreflex sofort. Allenfalls könne ich für meinesgleichen sprechen, schrieb ich zurück. Außerdem hätte ich den Eindruck, dass die meisten Menschen sich längst an den Krieg in unserer Nachbarschaft gewöhnt, andere Sorgen hätten, Stichwort Teuerung und so weiter. Natürlich waren das nur vorgeschobene Argumente.

Der wahre Grund ist, dass ich mich nicht den Gefühlen stellen wollte, die ich im Lauf des letzten Jahres mit leidlichem Erfolg verdrängt habe: der Panik, den Russlands Angriff auf die Ukraine in mir getriggert hat, der ohnmächtigen Wut und – am wenigsten – der Scham über meine Bereitwilligkeit, mich in das Ungeheuerliche zu fügen.

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Am „Council on Foreign Relations“ (CFR) – einem außenpolitischen Forschungsinstitut in Washington, D.C. – verantwortet die Politologin und Historikerin Liana Fix den Bereich Europa. Im Gespräch erklärt sie, warum die Verbündeten kein Interesse daran haben, Putin zu stürzen, wie es um Europas Sicherheit unter einem US-Präsidenten Trump stünde und in welche Phasen sich der bisherige Kriegsverlauf einteilen lässt.

DIE FURCHE: Wie blicken Sie auf die 365 Tage seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die gesamte Ukraine zurück? Welche geopolitischen Lehren lassen sich ziehen?

Liana Fix: Ich würde das vergangene Jahr in Phasen unterteilen: Die erste Phase war eine Phase des Schocks, insbesondere in Europa. Mehr als in den USA, wo der Einmarsch vorhergesagt worden ist. Die Großflächigkeit und die Brutalität des Angriffes, die die ganze Ukraine getroffen haben, und auch die Dreistigkeit, also dass Russland darauf abgezielt hat, die ukrainische Regierung abzusetzen und eine eigene Regierung in Kiew zu installieren – das hat zu einem Schock geführt, insbesondere in den Ländern, die die russische Außenpolitik bisher noch nicht als das erkannt haben, was sie ist.

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Neujahr, 0.01 Uhr: In einem Militärcamp der russischen Armee in der besetzten Region Donezk schlagen vier Raketen ein; 63 Rekruten kommen bei dem ukrainischen Angriff ums Leben, von der Militärbaracke bleiben nur Trümmer übrig.

Das militärische Ziel war wohlgewählt: Die ukrainische Luftwaffe konnte die russischen Soldaten über deren Handys orten, die in einem lokalen Mobilfunkmast eingeloggt waren. Bereits im vergangenen Jahr war ein hochrangiger russischer General getötet worden, nachdem er einen Anruf erhalten hatte, der seinen Standort verriet. (Beide Vorfälle wurden vom russischen Militär bestätigt.)

Obwohl der Krieg in der Ukraine mit militärischen Mitteln des 20. Jahrhunderts ausgetragen wird, spielen Handydaten in dem Konflikt eine maßgebliche Rolle. Beide Seiten versuchen, mithilfe von GPS-Tracking gegnerische Truppen zu orten. Das Tracking ist von großer militärstrategischer Bedeutung, etwa wenn es darum geht, eine Offensive oder ein Rückzugsgefecht vorzubereiten. Und es ist ein wesentlicher Grund, warum bei den russischen Angriffen auf ukrainische Infrastrukturziele das Telefonnetz bislang weitgehend verschont blieb.

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Die Ukraine, mit ihrer schwierigen und blutigen Geschichte, ihren über Jahrhunderte geformten und erzwungenen Verbindungen zu Russland und auch zu Europa, ihrer fragilen Multikulturalität und Geografie – diese Ukraine erforderte eine politische Handhabung, als wäre sie aus Glas. Russland indes drohte vor einem Jahr mit dem Hammer, um das eigene Reich weiter zu schmieden. Und schlug schließlich zu – auch weil der Westen die Ukraine nicht als jenes zerbrechliche Glasgebilde sah und behandelte, das sie ist.

Diese Analogie drängt sich nicht unweigerlich auf, wenn man den Essay des in Frankreich lebenden Schriftstellers André Markowicz liest. Doch es ist eine Interpretationsmöglichkeit, zu welcher die Lektüre inspirieren kann. Zwar sagt Markowicz, er sei kein Russland-Experte, kein Historiker oder Politikwissenschafter. Dennoch gewährt er einen interessanten Perspektivenwechsel und eine Perspektivenerweiterung, indem er die Frage zu beantworten versucht: Könnte eine Befreiung der Ukraine eine Strahlkraft entfalten, sodass ihre Schallwellen bis an die Moskwa reichen?

„Wenn der von der ukrainischen Katastrophe ausgelöste Elektroschock stark genug wäre, dass die Russen wieder zu Bewusstsein kommen, dass er die Geschichte Russlands verändert?“

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Die Frau könnte aus „Mutter Courage“ entsprungen sein – eine Mutter, die ihre Kinder schützt bei einer der gewalttätigen Demonstrationen in der ostukrainischen Stadt Slowjansk Anfang Mai 2014. Doch der erste Schein trügt, denn die vermeintliche Beschützerin hat eine Kalaschnikow in Händen, und sie hält diese so, dass klar ist: Sie weiß, wie man diese Waffe benutzt. Das Ganze taugt nicht zum ikonischen Bild von der „Mutter von Slowjansk“. Heute weiß man, dass dies russische Propaganda war, die dargestellte Person ist eine Agentin des russischen Geheimdienstes FSB, sie wurde von der Ukraine gegen eigene Gefangene ausgetauscht ...

Das Bild hat der französisch-niederländische Fotoreporter Pierre Crom aufgenommen, seine Geschichte wird im Dokumentarfilm „Signs of War“ von Juri Rechinsky und Pierre Crom erzählt und kommt am 24. Februar, dem ersten Jahrestag der russischen Invasion in die Ukraine, hierzulande in die Kinos.

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